Kulinarische "Hochgüter"

 

In meinen letzten beiden Artikeln habe ich meinen Abschiedsschmerz zelebriert, aber die Freude über den Umzug nach Bolsena ist mindestens genauso groß, wie der Abschiedsblues. 

Dabei habe ich keine Ahnung, was mich dort erwarten wird.

In dieser intensiven Lebensphase wird mir wieder einmal deutlich, dass ich nichts weiß.

Nicht, ob ich morgen tatsächlich aufwache, nicht ob ich Sonntag ins Kino gehe, obwohl ich verabredet bin und auch nicht, ob ich Ende Januar tatsächlich in Italien leben werde.

Ich weiß gar nichts.

Mein Alltag wird in jedem Moment, egal wo ich bin, oder was ich tue, von Vorstellungen bestimmt, ob ich mir dessen bewusst bin oder nicht.

 

We go minimal lautet unsere Devise.

Das nennt sich doch so, wenn man sich von vier Millionen Einwohnern in kürzester Zeit auf  viertausend herunterhungert und die künftige Wohnung 25 qm weniger aufweist oder?

Dafür gibt es aber einen wunderschönen Garten, inklusive Olivenbaum, eine überdachte Terrasse und freundliche, hilfsbereite Nachbarn, die für ein Gefühl der Geborgenheit sorgen. 

Das Umfeld, wilder Rosmanin, Lorbeersträucher und Olivenbäume, wohin das Auge reicht.

 

Wir ziehen in ein Gebiet, wo das nördliche Latium und der Westen Umbriens auf die südliche Toskana trifft, für Gourmets raffiniert zubereiteter Wildspeisen ein Paradies.  Ebenso für Trüffelliebhaber.

Tagliatelle mit Wildschweinragout in Weißwein

cinghiale in Umido (Wildschwein, gedünstet)

Ravioli mit frischem Trüffel

Jede Region hat ihre eigene Esskultur und nur in Italien habe ich eine männliche Spezies erlebt, die mit der gleichen Leidenschaft über die Herstellung kulinarischer Gerichte fachsimpeln, wie über Fussball oder Formel 1.

 

Und für mich als Kaffeeliebhaberin gibt es auch im kleinsten verstecktesten Dorf einen guten Espresso.

Das mag mit daran liegen, dass mancher Barista sein halbes Leben hinter dem Kaffeetresen verbracht hat, während seine Hände mit dem seidig-braunen Pulver, eine ungewollte Symbiose eingegangen sind und von einer ehrlichen Kaffeekultur zeugen.

Niemand würde es wagen einen Soia-Latte-Double-Shot zu bestellen.

 

Man kauft das Gemüse beim Gemüsehändler, die Wurst in der Salumeria und das Fleisch beim Fleischer.

Die Menschen grüßen freundlich und man hält vielleicht noch ein Schwätzchen mit dem Museumswärter, der gerade zur Mittagspause die Tore schließt und sich darüber freut, dass seine Frau ihm heute sein Lieblingsgericht gekocht hat.

Cinghiale in Umido. 

Während er uns das erzählt, verdreht er so verzückt die Augen, dass ich ihn fast frage, ob wir mitkommen können.

Vielleicht mache ich das noch, beim nächsten Mal, denn in Bolsena läuft man sich ständig über den Weg.

Alles scheint so einfach und selbstverständlich, so sonnig und harmonisch.

 

Ja ja ... die Vorstellungen.

Niemals sind sie echt, aber als Vision können sie das Leben versüßen, 

wenn man sich der Illusion bewusst ist.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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